Landgericht Berlin, Urteil vom 24.09.2014, Aktenzeichen 65 S 64/14
Tenor
Die Berufung der Klägerin gegen das am 29. Januar 2014 verkündete Urteil des Amtsgerichts Neukölln – 13 C 242/13 – wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.
Dieses und das angefochtene Urteil des Amtsgerichts sind vorläufig vollstreckbar.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Gründe
Von der Darstellung der tatsächlichen Feststellungen wird gemäß den §§ 540 Abs. 2, 313 a Abs. 1 S. 1 in Verbindung mit § 26 Nr. 8 EG ZPO abgesehen.
Die zulässige Berufung der Klägerin ist unbegründet.
Ein Anspruch auf Rückgabe der von den Beklagten gemieteten Wohnung steht der Klägerin gemäß § 546 Abs. 1 BGB nicht zu, weil das Mietverhältnis der Parteien nicht durch die fristlose Kündigung vom 7.5.2013 beendet wurde.
Die Berufung meint, das Amtsgericht habe die fristlose Kündigung vom 7.5.2013 wegen Zahlungsverzuges zu Unrecht aufgrund eines Verstoßes gegen die Schriftform der §§ 568 Abs. 1, 126 Abs. 1 BGB als unwirksam angesehen, was sich auch nicht aus der Entscheidung der Kammer vom 22.3.2011 – 65 S 363/10 ableiten lasse. Mit dem Zusatz „Namens und in Vollmacht des Vermieters“ in den beiden vorgerichtlichen Kündigungsschreiben sei aus ihrer Sicht der Vertretungswille klar und eindeutig formuliert, womit die Schriftform gewahrt sei. Auch die Anordnung dessen vor den Unterschriften zeige die Nähe zwischen Erklärung des Vertretungswillens und der Erklärung des Rechtsbindungswillens auf.
Dies trifft im Ergebnis nicht zu.
Generell kommt es für die Frage, ob eine Erklärung im fremden Namen abgegeben ist, auf deren objektiven Erklärungswert an. Nach den §§ 133, 157 BGB ist maßgeblich, wie der Erklärungsempfänger die Erklärung nach Treu und Glauben unter Berücksichtigung der Verkehrssitte verstehen darf. Hierbei sind außer dem Erklärungswortlaut alle Umstände zu berücksichtigen, die unter Beachtung der Verkehrssitte Schlüsse auf den Sinn der Erklärung zulassen. Von Bedeutung sind insbesondere die dem Rechtsverhältnis zugrunde liegenden Lebensverhältnisse, die Interessenlage, der Geschäftsbereich, dem der Erklärungsgegenstand angehört und verkehrstypische Verhaltensweisen (vgl. zum Schriftformerfordernis des § 623 BGB für Kündigungen das von der Klägerin zitierte Urteil: BAG 13. Dezember 2007 – 6 AZR 145/07 – Rn. 14 sowie BAG Urteil vom 25.3.2009 – 7 AZR 59/08 – Rn 30 zitiert nach juris) .
Die gesetzliche Schriftform des § 126 BGB ist nur gewahrt, wenn der so ermittelte rechtsgeschäftliche Vertretungswille in der Urkunde jedenfalls andeutungsweise Ausdruck gefunden hat (BAG Urteil vom 13. Dezember 2007 – 6 AZR 145/07 – aaO).
Ist eine Erklärung mit dem Zusatz „i. A.“ unterschrieben, kann dies im Einzelfall dafür sprechen, dass der Unterzeichner nicht selbst handelnd wie ein Vertreter die Verantwortung für den Inhalt der von ihm unterzeichneten Erklärung übernehmen will (BAG Urteil vom 20. August 1997 – 2 AZR 518/96- zu II 3b zitiert nach juris). Bei der nach den §§ 133, 157 BGB gebotenen Auslegung der Erklärung ist jedoch zu berücksichtigen, dass im allgemeinen, nicht juristischen Sprachgebrauch nicht immer hinreichend zwischen „Auftrag“ und „Vertretung“ unterschieden wird. Die Zusätze „i.V.“ und „i.A.“ werden häufig nur verwendet, um unterschiedliche Hierarchieebenen auszudrücken. Deshalb folgt nicht allein aus dem Zusatz „i.A.“, dass der Erklärende lediglich als Bote und nicht als Vertreter gehandelt hat. Maßgeblich sind vielmehr die Gesamtumstände. Ergibt sich hieraus, dass der Unterzeichner die Erklärung ersichtlich im Namen eines anderen abgegeben hat, ist von einem Handeln als Vertreter auszugehen. Für die Wahrung der Schriftform ist unerheblich, ob der Unterzeichner tatsächlich bevollmächtigt war (BAG Urteil vom 13. Dezember 2007 – 6 AZR 145/07 – aaO Rn 15).
Vorliegend ist das maßgebliche Kündigungsschreiben vom 7.5.2013 auf dem Briefkopf der im Mietvertrag als Vertreterin der Vermieterin ausgewiesenen … AG verfasst. Da die AG als juristische Person nicht selbst handeln kann, wird diese kraft Gesetzes durch den Vorstand vertreten, § 78 Abs. 1 AktG. Demgemäß sind auf dem Kündigungsschreiben die Mitglieder des Vorstands, die Herren Frank … und Christoph …, namentlich benannt, welche das Kündigungsschreiben nicht unterzeichnet haben.
Unterzeichnet ist das Kündigungsschreiben vom 7.5.2013 von einem Herrn …, dessen Namen im Kopf des Schreibens unter dem Hinweis „Forderungsmanagement“ aufgeführt ist und dessen E-mail-Adresse neben dem Aktenzeichen als Kontaktadresse angegeben ist. Die weitere Unterschrift stammt von einer nicht näher individualisierten Person namens „D.“.
Die Erwähnung des Unterzeichners … im Briefkopf lässt nicht auf seine Vertretungsmacht schließen. Entsprechend der Gestaltung des Mietvertragseingangs ist an dieser Stelle im Schreiben der „Ansprechpartner“ benannt, mithin hier der Sachbearbeiter, der für den Einzug offener Mietforderungen zuständig ist. Dass dieser zur Abgabe von Willenserklärungen zuständig ist, die den Bestand des Mietverhältnisses betreffen, kann daraus nicht abgeleitet werden. Die Klägerin hat auch keine Tatsachen vorgetragen, aus denen sich für die Beklagten erkennbar ableiten ließe, dass der Unterzeichner Herr … eine entsprechende Rechtsmacht besitzt.
Die Kündigung ist in der „Wir-Form“ verfasst („kündigen wir das…Mietverhältnis“, „wir fordern sie auf, … die Wohnung an uns zu übergeben“ , „sprechen wir … unser Vermieterpfandrecht aus“…). Abschließend ist nach der Grußformel und vor den Unterschriften der Zusatz
„Namens und in Vollmacht des Vermieters“ angefügt. Danach folgen die zwei Unterschriften D. und …, denen beiden das Kürzel „i.A.“ vorangestellt ist.
Die Verwendung der 2. Person Plural in dem Kündigungsschreiben stellt eine auf die Klägerin als Vermieterin hindeutende Formulierung dar, weil jeweils in Bezug auf Kündigung, Rückgabe und Vermieterpfandrecht Rechte geltend gemacht werden, die der Vermieterin zustehen. Da eingangs der Kündigung kein sprachlicher Hinweis auf die Vermieterin erfolgte, ist die notwendige Offenlegung des Vertretungsverhältnisses und das Handeln in fremden Namen abschließend im Anschluss an die Grußformel angebracht. Dies kann – wie von der Klägerin in der Berufung ausgeführt – gerade aufgrund dieser Nähe zu der Erklärung der natürlichen Personen, den Unterzeichnern, als Hinweis darauf aufgefasst werden, dass die unterzeichnenden Personen in Vollmacht handeln.
Vorliegend lässt sich dieser Schluss nicht ziehen. Zum einen handeln die Unterzeichner nicht unmittelbar für die Vermieterin; vielmehr liegt hier eine Vollmachtkette vor, weil durch die Verwendung des Briefkopfes der … AG, diese Vertreterin die Ausstellerin des Kündigungsschreibens ist. Zudem, insofern übereinstimmend mit der Gesetzeslage, sind die Vertreter der … AG, der vertretungsberechtigte Vorstand, namentlich benannt. Durch die zusätzliche Verwendung des Kürzels „i.A.“ bei beiden Unterschriften wird aber der vorausgegangene Zusatz „Namens und in Vollmacht des Vermieters“ für einen objektiven Erklärungsempfänger relativiert. Dies deshalb, weil die typische Verwendung „i.A.“ eben nicht auf ein Vertretungsverhältnis hindeutet, sondern der mit diesem Kürzel Unterzeichnende keine eigene Erklärung abgeben, sondern eine fremde nur übermitteln will.
Es entspricht, worauf der Bundesgerichtshof in der Entscheidung vom 25.09.2012 (VIII ZB 22/12 – zitiert nach juris und mit weiteren Entscheidungsnachweisen unter Rn 11) hingewiesen hat, der höchstrichterlichen Rechtsprechung, dass in Fällen, in denen der Unterzeichnende – in dem dortigen Fall ging es um die Unterzeichnung einer Rechtsmittelschrift – seine Unterschrift mit dem Zusatz „i.A“ versieht, grundsätzlich nicht von einer dafür erforderlichen Übernahme des Unterzeichners für deren Inhalt auszugehen ist; vielmehr gibt er dadurch zu erkennen, dass er nur als Bote auftritt. Im dortigen Fall hat der Bundesgerichtshof im Ergebnis die Zulässigkeit der Berufung bejaht, weil der mit diesem Zusatz unterzeichnende Rechtsanwalt Sozietätsmitglied und auf dem Briefkopf der Kanzlei, mit welchem die Berufungsschrift eingereicht wurde, aufgeführt war. Dies würde, auf den vorliegenden Fall angewandt bedeuten, dass wenn einer der auf dem Kündigungsschreiben aufgeführten Vorstände mit dem Kürzel „i.A“ unterzeichnet hätte, dies unschädlich wäre, weil er auf dem Schreiben als vertretungsbefugt ausgewiesen ist.
Die Hinzufügung dieser Kürzel „i.A.“ steht damit im Widerspruch zu dem vorausgegangenen Zusatz „Namens und in Vollmacht des Vermieters“. Bei lebensnaher Betrachtung ist dieser Zusatz so aufzufassen, dass damit die … AG „Namens und in Vollmacht des Vermieters“ handelt und mithin dem erforderlichen Offenkundigkeitsgrundsatz entsprechen will. Die Unterzeichner auf dem Kürzel „i.A.“ geben hingegen zu erkennen, dass sie nur beauftragt sind, die Kündigung mitzuteilen. Wie von der Kammer bereits in dem von der Klägerin zitierten Urteil vom 22.3.2011 65 S 363/10 – ausgeführt, schafft dieser Zusatz eine Distanz zu der Erklärung, die hier „Namens und in Vollmacht des Vermieters“ erfolgen soll. Was hätte – sollten die unterzeichnenden Personen tatsächlich bevollmächtigt gewesen sein bzw. als Vertreter hätten handeln wollen – näher gelegen, als ohne jeden Zusatz unter der Anfügung „Namens und in Vollmacht des Vermieters“ zu unterschreiben.
Der Umstand, dass der Zusatz „i.A.“ nicht handschriftlich zugefügt, sondern offenkundig auf den Schreiben vor der Unterzeichnung bereits aufgebracht wurde, ändert an dieser Bewertung nichts.
Die … AG ist eine mit der Vermieterin verbundene und professionelle Vertreterin einer in Berlin gerichtsbekannt seit Jahren in großem Umfang tätigen Vermieterin. Von ihr ist zu erwarten, dass sie die Differenzierung zwischen Vertretung und Beauftragung kennt. Da hier zudem beide Kündigungsschreiben entsprechend verfasst sind, kann auch nicht von einem einmaligen Versehen ausgegangen werden. Vielmehr lässt dies den Schluss zu, dass hier nicht von einer Vertretung der Unterzeichner ausgegangen werden kann.
Auch der Umstand, dass im Mietvertrag entsprechend verfahren wurde, indem den Unterschriften der Zusatz „i.A“ angefügt ist, führt zu keiner anderen Bewertung. Es haben jeweils andere Personen auf Seiten der Klägerin bzw. ihrer Vertreterin, der … AG gehandelt, so dass aus Empfängersicht aus dieser Vorgehensweise nicht auf eine Bevollmächtigung der Unterzeichner der Kündigung für die Abgabe den Bestand des Mietverhältnisses betreffende Erklärungen geschlossen werden konnte. Zudem hat die Klägerin nicht vorgetragen, dass sie alle Verträge in der hier verwandten Form unterzeichnet.
Schließlich hat die Klägerin keine konkretisierenden tatsächlichen Umstände vorgetragen, aus denen hier für die Beklagten als Erklärungsempfänger etwa der Schluss auf eine Vertretungsbefugnis der Unterzeichner möglich gewesen. Es ist weder weiterer vorgerichtlicher Schriftverkehr eingereicht, noch ist weiterer Sachvortrag hierzu erfolgt, wie dies etwa in der von der Klägerin zitierten Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts aus dem Jahr 2007 der Fall war. Die Person, die im Hause der … AG die Kündigungen vorformuliert bzw. die schriftliche Kündigung zur Unterzeichnung vorbereitet, wird – ebenso wie bei dem Mietvertrag – dies nicht eigenständig, sondern auf Anweisung in dieser Form abgefasst haben. Hierzu wäre konkreter Sachvortrag nötig gewesen. Etwa dahingehend wie dies bei der Klägerin bzw. der … AG organisiert ist und in welcher Form bisher Schreiben an die Beklagten gerichtet wurden. Dies hat die Klägerin ungeachtet der von ihr aus der Rechtssprechung zitierten Anforderungen aber unterlassen, so dass kein Anhaltspunkt dafür besteht, dass bei der Klägerin Vertretungsverhältnisse üblicherweise in dieser Form dargestellt werden.
Bezogen auf die in der Klageschrift enthaltenen Kündigungen beanstandet die Berufung lediglich, dass das Amtsgericht die in der Klage enthaltene fristlose Kündigung gemäß § 569 Abs. 3 Nr. 2 BGB als unwirksam angesehen hat, weil dieser Kündigung bereits die fristlose Kündigung vom 11.1.2012 vorausgegangen sei, welche gleichfalls gemäß § 569 Abs. 3 Nr. 2 BGB unwirksam geworden sei, so dass § 569 Abs. 3 Nr. 2 Satz 2 BGB greife.
Diese Ansicht trifft nicht zu. Die mit der Klage überreichte fristlose Kündigung vom 11.1.2012 ist entsprechend derjenigen vom 7.5.2013 verfasst und ebenfalls von Herrn … und einer nicht näher individualisierten Person namens C. unterzeichnet, jeweils mit dem Zusatz „i.A.“. Es kann in sofern auf die vorstehenden Ausführungen zur Kündigung vom 7.5.2013 verwiesen werden mit der Folge, dass auch die Kündigung vom 11.1.2012 formunwirksam ist.
Gegen die Ausführungen des Amtsgericht zu der mit der Klage ebenfalls ausgesprochenen ordentlichen Kündigung hat sich die Berufung schon nicht gewandt.
Die prozessualen Nebenentscheidungen haben ihre Rechtsgrundlage in den §§ 97 Abs. 1, 708 Nr. 10, 713 ZPO.
Die Revision war nicht zuzulassen, weil die Rechtssache weder grundsätzliche Bedeutung hat noch die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts erfordern.